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Sie ist 71 Jahre und Jung-Unternehmerin. Mit ihren "Regen-Bogen-Reisen" will Irma Heyne-Beuse Trauernden und Alleinstehenden den Weg zu neuen Ufern zeigen. Statt Reiseführerin ist eine Trauerbegleiterin dabei
Irma Heyne-Beuse, einst Reisebüro-Chefin, hat die Trauer selbst erfahren - und setzte sie kreativ um.
Hamminkeln. Irma Heyne-Beuse kennt die schönsten Plätze der Welt. Traumstrände, Traumhotels - "ich habe so ziemlich alles gesehen", sagt sie. Verschwiegene Buchten, das Toben der Großstadt. Dieses Luxus-Programm gehörte bei ihr 25 Jahre zum Alltagsgeschäft. Für eine Reisebüro-Chefin nichts Besonderes. "Und dennoch ein Lebenstraum." Frau Heyne-Beuse glüht, wenn sie erzählt von einer Zeit, die rüberkommt wie ein großes komfortables Abenteuer. Und man kann sich die Dame vorstellen, wie sie elegant gekleidet durch die Lounge eines Fünf-Sterne-Hotels streift. Und dann auf einmal dieser Einbruch. "Ich fiel in ein tiefes Loch."
Das, was das Herz ihres Lebens war, hatte aufgehört zu existieren. "Als mein Mann starb, dachte ich, es kann nicht mehr weitergehen." Irma Heyne-Beuse sitzt in der Restsonne des Sommers in einem Gartenstuhl. Ach was, sitzt! Sie steht auf, holt Kaffee. Holt den besten Butterzopf der Welt. Irma Heyne-Beuse ist eine Frau mit Service im Blut. Sie verwöhnt gerne. Vielleicht, weil sie ein glücklicher Mensch ist. Mittlerweile wieder. Weil sie gelernt hat, aus dem Tief herauszukommen. Und es sogar wieder zulassen kann, hier, in einer umgebauten alten Mühle in Hamminkeln am Niederrhein, die Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. "Irgendwann, als ich ganz unten war, habe ich gedacht: Irma, so geht das nicht weiter." Also suchte sie sich bei Gesprächskreisen der Hospiz-Initiative Wesel Hilfe. Das Reden über das, was Verlust bedeutet, wie man selbst diese Leere mit neuem Sinn füllen kann, es half ihr, wieder Antrieb zu finden. "Ich war nicht alleine mit meinen Sorgen. Es gibt so viel Schlimmes. Eine junge Frau war da. Ihr Mann hatte sich erhängt. Furchtbar. Aber die Frau hat sich nicht unterkriegen lassen." Also gab sich auch Irma Heyne-Beuse einen Ruck. Ein Ruck, der für volle Aktivität sorgte: "Als ich gefragt wurde, ob ich als Profi nicht Fahrten für Menschen, die allein sind, organisieren wollte, war ich dabei."
Mit 71 wurde sie Jung-Unternehmerin. Gründete die Firma "Regen-Bogen-Reisen" -"von der Trauer, über eine Brücke, zum neuen Leben", sagt sie. Der Titel gefällt ihr. Sie strahlt. Auch wenn sie daran denkt: Die erste Reise auf der Rhône. Ein Trüppchen mit zwölf Leuten. "Drei Viertel Frauen." Sie lacht, ringt um die Fassung. "Entschuldigung, dass ich lache. Aber die Trauergruppe ist immer die lustigste Gruppe." Es würde so gegibbelt, dass andere Reisenden schon fragten: Wer sind die denn? Nicht die Kegel-, nein, die Trauergruppe. Dass sie so lachen können, geht ja nur, weil weinen und lachen zusammen gehört. Und geweint haben sie alle schon lange genug. Dass sie so lachen können, geht auch nur, weil sie sich nicht zum Jux zwingen. Im Gegenteil: Bei den Regen-Bogen-Reisen ist eine Trauerbegleiterin der Hospiz-Initiative Wesel mit an Bord. Gespräche über Unbequemes - wie Einsamkeit und Ängste - finden statt, aber auch Gespräche über Neuorientierung. "Die Menschen fühlen sich ganz angenommen - mit ihrem Leid und mit ihrer Hoffnung, das Leben doch noch zu meistern", sagt Trauerbegleiterin Eva Chiwaeze. "Das löst."
Nicht nur Witwen und Witwer sind dabei. Auch Menschen fahren mit, die verlassen wurden. "Verlust hat viele Gesichter", so die Trauerbegleiterin. Frau Heyne-Beuse: "Auch Paare nehmen teil, die sich darauf einstellen wollen, dass einer mal nicht mehr ist." Es geht um Neubeginn. Um Umbrüche des Lebens. Weil Frau Heyne-Beuse die Welt kennt, weiß sie auch, was Menschen in einer Umbruchphase suchen. Nix da Remmidemmi, sondern Ruhe "und ein gewisses Flair in einem schönen Hotel". Sollte ihr Unternehmen einmal florieren ("Ich lebe ja nicht davon"), will sie den Gewinn der Hospiz-Initiative vermachen. "Mein Lebenstraum heute ist, einfach etwas Sinnvolles zu tun."
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